Zurück zum Anfang: 20 Jahre Concertino Piccolino

2003 feierte die bis heute in Detmold beliebte wie etablierte Kinderkonzertreihe Concertino Piccolino ihre Premiere und betrat damit absolutes Neuland. Denn ein Format, das explizit für Vorschulkinder mit ihren Eltern, Freund:innen und Verwandten gedacht war, gab es damals in Deutschland noch nicht. Die Initiative dazu ging von dem damaligen Gründer und Leiter dieses Studiengangs Prof. Dr. Ernst Klaus Schneider aus, der zum 20-jährigen Jubiläum für uns auf die Anfänge zurückblickt.

Gastbeitrag von Prof. Dr. Ernst Klaus Schneider

Seit 20 Jahren führt die Hochschule für Musik Detmold das Concertino Piccolino als Konzertreihe für 4- bis 6-jährige Kinder mit ihren Eltern durch. Inzwischen haben Eltern und Kindergärten über 200 mal dieses Angebot als Einstieg in das Konzertleben ihrer Kinder angenommen, hat die Hochschule das Sommertheater als Erfahrungsraum für kleine Kinder geöffnet und Musik erklingen lassen, damit diese in verlockender Weise Kunst erleben können. Die Konzertreihe erfährt viel und anhaltenden Zuspruch.

Zugleich ist sie seit 20 Jahren für die Studierenden des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Musikvermittlung/Musikmanagement ein zentraler, Theorie und Praxis verbindender Teil der Ausbildung. Fächer wie Sprechtraining, Bühnenpräsenz, didaktische Interpretation, Methoden der Vermittlung werden hier integriert. Es ist ein Modell, das Absolvent:innen in Hamburg, München, Basel, Hannover, Münster, Wien und anderen Orten für eigene Konzertpläne mit je eigener Bezeichnung und eigenem Konzept aufgenommen haben und bis heute erfolgreich durchführen, u. a. fidolino, mini-musik, hasi-Konzert und KlingKlang. Einzelne Konzerte des ersten Jahrgangs werden dabei in Varianten noch immer genutzt. Das Modell bot darüber hinaus Orientierung für anders ausgerichtete Konzertkonzepte.

Von Anfang an ist Claudia Runde mit von der Partie. In der allersten Phase als Studentin, dann seit vielen Jahren bis heute als Künstlerische Leiterin; sie entwickelte das Concertino Piccolino-Projekt weiter. Sie verschob eines der beiden Sonntagskonzerte auf den Montag, bezog auch Kinder der ersten beiden Grundschulklassen ein, sodass ein neues, sozial breit gestreutes Kinderpublikum angesprochen werden konnte.

Erste Gedankengänge

Wie kam es dazu, dass die Hochschule für Musik Detmold im Jahre 2003 Neuland betrat und eine „Konzertreihe für Vorschulkinder mit ihren Eltern, Freunden und Verwandten“ entwickelte? Ein solches Konzertformat gab es damals in Deutschland nicht. Rückblickend war es von Beginn an ein Erfolgsmodell: die Konzerte, an Sonntagen angeboten, waren sofort ausverkauft, sodass die Konzerte zweimal durchgeführt werden mussten.

Die Initiative ging von Ernst Klaus Schneider aus, der damals für den Studiengang Musikvermittlung/Musikmanagement verantwortlich war. Schneider bemühte sich um die Weiterentwicklung dieses Studienangebots, suchte neue tragfähige Aufgaben für das Berufsfeld der außerschulischen Musikvermittlung, wollte zugleich den Studierenden neben Familien-/Schulkonzert oder Konzerteinführung neue Möglichkeiten der Praxiserfahrung im Studium eröffnen und zur Entdeckung eigener neuer Wege der Musikvermittlung anregen. Früherziehung war damals bildungspolitisch hoch aktuell. Auch im Bereich der Musik wurde die Forderung nach einer frühen musikalischen Förderung von Kindern in der Lebensphase laut, in der sie am lernfähigsten und aufnahmebereitesten sind. Diese Forderung wurde von der musikpsychologischen Forschung als richtig bestätigt: „Für die Entwicklung der musikalischen Fähigkeiten und des Rezeptionsverhaltens sind die ersten Lebensjahre von entscheidender Bedeutung. Hier werden bereits die entscheidenden Lernwege gebahnt“, hatte Wilfried Gruhn angemahnt. Das galt nicht nur für die Entfaltung des Wahrnehmungsvermögens in Breite und Vielfalt, sondern auch für den Aufbau von Musikinteressen. Es galt den Kindern im Konzertsaal primäre Musikerfahrungen zu bieten und mögliche neue Interessen zu wecken, die sich von Erfahrungen in der Medienwirklichkeit der meisten Kinder unterscheiden. Auslösender Impuls, mit dem Plan wirklich zu beginnen, war für Schneider der Besuch eines Wiener Triolino-Konzerts (Zusammenarbeit der Jeunesses Österreich und des Zoom Kindermuseums Wien). In seinen Planungsnotizen notierte er 2003: für 4- bis 5-jährige Kinder mit Eltern, breite Musikauswahl, gemeinsames Musizieren, Gestaltungsarbeit, Basteln, künstlerische Gestaltung, Hören, Arbeit mit Bildern, Materialien,  Erkennungsmelodie, Verbindung Kunst-Musik, thematische Bindung der Konzerte, für jedes Konzert Drehbuch mit schlüssiger Geschichte, zwei Studierende als Moderator:innen.

Die Ausgangssituation im Studiengang

Für das Sommersemester 2003 hatten sich die 23 Studierenden der Musikvermittlung, die nur an Seminarwochenenden zusammen kamen, und ihre Dozent:innen besonders viel vorgenommen. Zwei Konzerte und Pausenaktivitäten waren für das 1. Kindermusikfest des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals in Salzau vorzubereiten. Zwei Familienkonzerte der Hochschule waren zu planen und durchzuführen. Dazu kamen mehrere Konzerteinführungen in Paderborn. Und nun noch die Entwicklung eines ganz neuen Konzertformats? Kein Jahr Vorlauf? Der Reiz, etwas noch nicht Erprobtes zu versuchen, motivierte alle.

Planung und Realisierung in den ersten Jahrgängen

Ausgehend von den Notizen Schneiders wurde gemeinsam mit den Studierenden des Jahrgangs 2002-2004, mit Claudia Runde, erweitert durch Anregungen von der damaligen Gast-Dozentin Barbara Stiller das Basiskonzept für den ersten Konzertjahrgang entwickelt. Dies geschah in einem Hin und Her zwischen inhaltlich-methodischen Überlegungen zur Planung einzelner Konzerte und übergreifenden Grundüberlegungen. Aus alledem ließen sich Leitlinien herausfiltern, die für die Gestaltung gelten sollten:

  • Unsere Konzerte für Vorschulkinder sollen Konzerte sein und keine Unterrichtsstunden im Rahmen der Früherziehung.
  • Musik soll erklingen, die auch sonst in einer Musikhochschule „lebt“. Klassische Musik im weitesten Sinne. Wenn möglich sollen interdisziplinär Verknüpfungen mit je einem Werk der Bildenden Kunst genutzt werden, um eine weitere Erfahrungsmöglichkeit anzubieten und zu einem Dialog von Hören und Sehen anzuregen.
  • Das neue Konzertformat wird sich von einem traditionellen Konzert unterscheiden. 4-bis 6-jährige Kinder nehmen mit allen Sinnen wahr; sie erleben ihre Welt besonders intensiv, wenn sie mit eigenem Tun beteiligt sind. Daran soll sich die Methodik orientieren: Musikhören und freies Spiel, Bewegen und Tanzen, Singen und bildnerisches Gestalten sollen im Konzert mit Verknüpfungen zur Alltagswelt ineinander greifen.
  • Musikalische Bildung baut sich auf in der Begegnung mit allem, was man noch nicht kennt oder noch nicht versteht. Vorschulkinder sind offen für jede Art Musik. Es soll ein sehr breites Spektrum von Musik erklingen: Improvisationen und Musikwerke, alte und neue Musik. Eine Eingrenzung freilich ist stets zu beachten: es müssen kurze Musikstücke sein (ca. drei Minuten).
  • Da Kinder in Bildern denken, die sich zu Geschichten fügen, werden die Konzerte auch im Gesamtverlauf szenisch angelegt. Ein einzelnes Werk der Bildenden Kunst kann als Klammer dienen. Um die Anschaulichkeit zu verstärken, soll mit einzelnen Requisiten oder Kostümen, auch mit Beleuchtung das Podium in andeutender Weise ein Bühnenbild gestaltet werden.
  • Für die kindliche Bildung spielen soziale Zusammenhänge eine wesentliche Rolle. Deshalb sollen die Kinder die Konzerte gemeinsam mit ihren Eltern, Verwandten und Freund:innen erleben. Es gilt, dass auch die Erwachsenen von der Musik angesprochen werden sollen.
  • Vereinzelte Erlebnisse hinterlassen keine Bildungsspuren. Erfahrung erwirbt man durch Wiederholung. Um die Differenzierung der Wahrnehmung und die Nachhaltigkeit der Erfahrungen zu fördern, sollen die Kinder mehrere Konzerte erleben. Deshalb wurde eine Abo-Reihe mit sechs Konzerten konzipiert..
  • Dem Konzert im engeren Sinne gehen Situationen voraus, die mit Empfindungen verbunden und für die Öffnung gegenüber dem Neuen wie für die Erlebnisqualität des ganzen Konzerts wichtig sind: der Gang in den Konzertsaal, das Eintauchen in die besondere Atmosphäre des Raumes, das Wahrnehmen der vorbereiteten Ausstattung, das Eingebunden werden in Auch diese Situationen sind bei der Planung zu beachten und zu gestalten.
Rahmenthemen für das Jahresprogramm

Für die einzelnen Jahresreihen mit jeweils sechs Konzerten wählten wir außermusikalische Rahmenthemen, bei denen Kinder sich inhaltlich etwas vorstellen können: besonders schöne und vertraute Familienaktivitäten – Unterwegs mit Klang und Farbe – (2003/04), ansprechende Geschichten aus der Literatur für Kinder – Klang-Geschichten – (2004/05) und Feste, auch wie sie in anderen Kulturen gefeiert werden – Mit Musik von Fest zu Fest – (2005/06). Ausgehend von den Rahmenthemen wurden Konzertthemen für jede Veranstaltung bestimmt.


Konzertthemen 2003/04: 

  • Auf dem Bauernhof mit Musik von Schumann. Yun, Biber, Bartók, Kurtág
    Bild: Gepflügte Erde (1923/24) von Juan Miró
  • Auf in den Zirkus mit Musik von Bach, Berio, Mozart, Scarlatti, Gubaidulina, Bernstein
    Bild: The Juggler (1924) von Samuel Harpert
  • In Eis und Schnee mit Musik von Debussy, Mozart, Purcell , Telemann
    Bild: Winterfreuden (1609) von Hendrick Averkamp
  • Besuch im Museum mit Musik von Bach, Mussorgsky, Francaix, Ibert, Dvorak, Seyourné
    Bild: Symphonie Nr. 48 (1969) von Dick Higgins
  • Ein Gang durch den Vogelpark mit Musik von Saint-Saens, Mozart, Karg-Elert, Thomas, Dinicu, Holliger
    Bild: Vogelgarten (1924) von Paul Klee
  • Im Spiel der Wellen mit Musik von Satie, Mussorgski, Mozart, Schumann, Saint-Saens
    Bild: Fischzauber (1925) von Paul Klee

Konzerthemen 2004/05: 

  • Freundschaft
    Geschichte: Strado & Varius von Martina Skala
  • Ich fühle mich so stark
    Geschichte: Der Josa mit der Zauberfidel von Janosch
  • Sichtbares und Unsichtbares
    Geschichte: Das blaue Monster von Ingrid Ostheeren
  • Erlebnisse bei Tag und Nacht
    Geschichte: Schlaf gut, kleiner Bär von Quint Buchholz
  • Geschichten aus Spanien
    Geschichte: Ferdinand von Munro Leaf
  • Unterwegs
    Geschichte: Kasimirs Weltreise von Marlene Reidel

Konzertthemen 2005/06:

  • Ritterfest auf der Burg
  • Gülem und Angelico feiern Geburtstag
  • Ein Fest für Amadeus
  • Hexenfest und Zauberei
  • Chinesisches Neujahrsfest mit Zhuo Zhua

Das Vorgehen in der Planung

Eine kleine Gruppe von Studierenden und Dozent:innen übernahm die Detailarbeit: Joachim Thalmann sorgte für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit und Vorbereitung der Medien für Präsentationen, Andrea Versteegh übernahm die Gestaltung von Plakaten und Liederzetteln, Schneider verfasste das Grundkonzept, skizzierte Überlegungen zur szenischen Anlage und schlug Musikstücke sowie Bilder vor. Claudia Runde übernahm die erste Überarbeitung der Vorschläge und sorgte für das Liedrepertoire. Ulrich Holle überarbeitete die szenische Anlage. Es musizierten Studierende des Studiengangs oder der Instrumentalklassen der Hochschule. Das Gesamtkonzept wurde im Plenum des Studiengangs vorgestellt und diskutiert. Erprobungslust und Erprobungslast verbanden sich, Fantasie und fachliche Kontrolle gehörten zusammen. Um einen durchgehenden Personenbezug für die Kinder herzustellen, moderierte Claudia Runde in allen Konzerten gemeinsam mit Moderator:innen, die jeweils wechselten. Die Planung von sechs Konzerten in einer Saison bis ins Detail blieb für alle eine Herausforderung.

Worauf wir besonders achteten: 

  • Raumgestaltung und Atmosphäre

Für Vorschulkinder ist der erste Besuch eines Konzerts im Konzertsaal wie ein Ausflug zu einem ihnen sehr fremden Ort. Sie tauchen beim Betreten des Konzertgebäude ein in eine ganz eigene, vom Draußen kontrastreich sich unterscheidende Atmosphäre. Diese Atmosphäre ist das erste, was Kinder wahrnehmen. Später werden die Kinder ihre Erlebnisse mit Menschen und Musik mit dieser Atmosphäre und Grundstimmung verbinden. Deshalb haben wir uns bemüht, eine Atmosphäre zu gestalten, die schon beim Betreten des Gebäudes die Kinder hineinnimmt, Kontakte stiftet und auf das Kommende erwartungsvoll einstimmt. Anstelle der üblichen Eintrittskarten gab es rote Anstecknadeln aus Plastik für Kinder und Erwachsene, die für alle Konzerte galten und – für uns überraschend – von einigen Kindern auch außerhalb des Konzertes getragen wurden und als Erkennungszeichen dienten. Die Anstecknadel zeigte neben der Aufschrift auch einen Katzenkopf aus einem Mirò-Gemälde, das im Konzert eine zentrale Rolle spielte. Wie ein Leitmotiv begegnete den Kindern auf den Sitzkissen und auf dem Liederblatt der Katzenkopf. Und selbstverständlich war die Katze in der Musik des Konzerts zu hören. Die Kinder konnten Spuren des Vertrauten im Fremden finden.

Wir haben mit Blick auf die Altersgruppe den Konzertraum umgebaut, ihn hell und freundlich ausgeleuchtet. Die ersten Sesselreihen wurden entfernt. Vor der Bühne entstand ein großer freier Raum, in dem Kinder sowie einzelne Erwachsene auf Sitzkissen direkt vor den Musiker:innen herum sitzen konnten. Damit wurde eine gegenüber dem üblichen Konzert veränderte Hörsituation geschaffen mit einer großen Nähe der Kinder untereinander und zu den Musizierenden.

  • Anfangssituationen im Konzert

Die Gestaltung des Beginns unserer Konzerte für Vorschulkinder haben wir besonders sorgfältig bedacht. Einerseits sollte für die Kinder durch Beleuchtung und angedeutetem Bühnenbild sich wie von selbst die Thematik öffnen. Das einzelne Kind konnte seinem Tempo entsprechend sich auf das Geschehen einstellen; es sollte von vornherein zum Horchen und aufmerksamen Zuhören zur Musik angeregt werden. Wir entschieden uns für gleitende Übergänge und entwickelten Alltagsszenen wie z. B. im Konzert Im Spiel der Wellen: Das Bühnenbild präsentierte eine Feriensituation am Meer mit Liegestuhl und Sonnenschirm, Sandhaufen und Schaukel, mit einem großen blauen Tuch, auf das die Kinder ihre mitgebrachten Schiffe zu einer Flotte verbauen konnten. Eine Moderatorin lag als Feriengast im Liegestuhl. Nach der Begrüßung ging diese zur Schaukel, schaukelte und animierte Kinder wie Eltern, diese Pendelbewegung mit ding und dong klanglich mitzugestalten. In dieses Klangbild hinein erklang von Erik Satie das Klavierstück Das Schaukeln. Vergleichbare Eingangssituationen wurden für alle anderen Konzerte entwickelt, wobei immer auf eine enge Beziehung zwischen Methodik und Musik geachtet wurde. Für jedes Konzert wurde entsprechend der Musik ein vielfältiges Vorgehen exemplifiziert: Musikhören und freies Spiel, Bewegen und Tanzen, Singen und bildnerisches Gestalten sollen im Konzert mit Verknüpfungen zur Alltagswelt ineinander greifen (wie oben erwähnt.)

Eine Probe musste reichen

Die unmittelbare Vorbereitung eines Konzerts war für alle Beteiligten eine ungewöhnliche Herausforderung. denn die Studierenden kamen nur an Wochenenden zum Studium nach Detmold, wenn auch der Unterricht in den anderen Fächern lief. Die Moderationen lagen zwar als Text oder in Stichwörtern vor, auch das Equipment für die Bühne war zusammengestellt, eine Bühnenordnung vorbereitet. Doch für das Stellen der Szenen blieb wenig Zeit. Die Studierenden waren Musiker:innen oder Musikpädagog:innen ohne Erfahrung in szenischer Präsentation und der dazu gehörenden Sprechtechnik auf der Bühne. Es war oft ihr erster Auftritt, bei dem sie sich als Musikvermittler:innen präsentieren mussten. Nur zwei Stunden standen für die Probe zur Verfügung, mitunter lagen diese unmittelbar vor dem Konzert. Die Einstudierung war eine Herkulesarbeit für alle, vor allem für Ulrich Holle, assistiert von Claudia Runde und Ernst Klaus Schneider. Selbstverständlich mussten auch die Musiker:innen in die Dramaturgie eingewiesen werden, was mitunter auch schwierig war. Alle Beteiligten standen in großer Spannung: Wie werde ich mich bewähren, wie wird das Konzert gelingen? Da zwei Konzerte am Tag gespielt wurden, konnte in der Mittagspause nachjustiert werden. Dass diese Anstrengungen sich gelohnt haben, war aus den wohlmeinenden Reaktionen der Eltern zu hören: Vielen Dank für die wundervollen und sehr liebevoll gemachten Konzerte! (Befragung 2003). Und in der Lippischen Zeitung war nach dem ersten Konzert zu lesen: Es herrschte eine besondere Art von Leben am Sonntagmittag im Detmolder Sommertheater. Eine Art, die man in einer Kulturstätte diesen Ranges eher selten vorfindet. Es war laut, bunt und turbulent. Wie es eben so ist, wenn Kinder in die Hauptrolle rücken. Die Kinder dürfen sich bewegen, werden einbezogen und sind voll und ganz bei der Sache. Selten wurde in einem Konzertsaal wohl so viel und unbeschwert gelacht.

Ansätze zur Praxisforschung

Das Nachdenken über die praktischen Erfahrungen bei der Konzertdurchführung, der Blick auf Gelungenes und auf Korrekturbedürftiges, die Suche nach Alternativen und gesicherten Erkenntnissen begann meist sofort in einem Gespräch nach der Aufführung. Welche Handlungsmöglichkeiten haben sich bewährt, woran war dies zu erkennen? Was ist auf künftige Konzerte übertragbar, was muss neu durchdacht werden? Es war eine Art interner Praxisforschung, die auf Allgemeineres zielte. Diese wurde punktuell ergänzt durch Forschungsansätze, die wissenschaftlich fundiert, eine Außenansicht wiedergeben und letztlich Auswirkungen auf die Praxis der Konzertgestaltung haben sollten.

  • Nach zehn Konzerten (April 2005, 2. Konzertreihe) führte Ernst Klaus Schneider eine postalische Befragung der beteiligten Eltern durch. Sein Erkenntnisinteresse galt nicht nur Vorschlägen für Verbesserungen oder Veränderungen, sondern auch den Nachwirkungen der Konzerte. Eltern wurden befragt, was Ihr Kind nach dem Konzert als Reaktion auf das Erlebte tut oder sagt. In den Rückmeldungen wurde die besondere Bedeutung des Concertino-Liedes hervorgehoben. Das Concertino-Lied kam ganz toll an. / Charlotte singt und tanzt die Lieder aus den Konzerten, abends liegt immer der letzte Liederzettel mit im Bett und muss „vorgelesen“ und gesungen werden; besonders fasziniert hat sie jeweils, wenn Kinder mit auf der Bühne waren. Viele schreiben, dass ihre Kinder in Gesprächen nach dem Konzert auf das zurückkommen, was sie im Konzert erlebt haben. Besonders eindrückliche Szenen werden nachgespielt. Die Musik ist durchgehend in das Insgesamt eingebunden und wird nicht einzeln erwähnt oder bewertet. Das Fazit aller: Die Konzertreihe ist wunderschön, abwechslungsreich und unsere Kinder sind begeistert. Die Auswertung bestätigte die Bedeutung von wiederkehrenden Elementen im Konzert (Concertino-Lied) und von einer durchgehenden Rahmenhandlung. Diese war in der zweiten Konzertreihe durch die Thematisierung von Kinderbüchern gesichert.
  • Es war ein Glücksfall, dass Heiner Gembris, Professor in Paderborn und Experte für musikalische Begabungsforschung, mit den Studierenden im Jahre 2007 eine wissenschaftlich fundierte umfangreiche Publikumsbefragung (auch mit Fragebögen für Kinder) entwickelte. Nach der gemeinsamen Reflexion von Ausgangspunkt, Zielsetzung und Methodik der Befragung im Seminar, nach der Entwicklung der Fragebögen, Festlegung der Kodierung und des Auswertungsverfahrens wurden die Fragebögen in den letzten beiden Konzerten 2006/07 an die Eltern mit Freiumschlag verteilt. Die Auswertung erfolgte im Institut für Begabungsforschung in der Musik der Universität Paderborn. Einige wichtige Ergebnisse von Fragen, die zu stellen, sich auch heute noch lohnt, seien hier abgebildet.

 

  • 2008 hat Barbara Stiller in ihrer als Buch erschienenen Dissertation Erlebnisraum Konzert. Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder unter bestimmten Aspekten eine strukturanalytische, quantitative wie qualitative Untersuchung der allerersten Konzertreihe Unterwegs mit Klang und Farbe vorgelegt. Diese Konzerte waren mit zwei Kameras mitgeschnitten worden, deren eine das Bühnengeschehen, deren andere die Aktionen und Reaktionen des Publikums erfasste (Splitscreen-Verfahren). Konzertmitschnitte dieser Art wurden von den Studierenden zur kritischen Aufarbeitung des von ihnen gestalteten Konzerts genutzt. Barbara Stiller entfaltet grundlegende Kriterien zur Gestaltung von Vorschulkonzerten und kommt bei der Auswertung, wie bei einem Pilotprojekt zu erwarten, zu vielen grundlegenden positiven wie kritischen Ergebnissen, welche die Gestaltungsmöglichkeiten dieser Art von Konzerten bereichert hat. Sie mahnt z. B. an eine stringenter durchgehaltene Rahmenhandlung sowie stärkeres Eingehen auf die emotionale und kognitive Befindlichkeit der Kinder. Sie regt an, experimentelle Stimmaktionen einzusetzen oder Wiederholungsmomente einzuplanen.
Literaturempfehlungen
  • Ernst Klaus Schneider, Unterwegs mit Klang und Farbe. Eine Konzertreihe für Schulkinder mit ihren Eltern, Freunden und Verwandten, in: G. Kreutz / Johannes Bähr (Hg.), Anstöße – musikalische Bildung fordern und fördern. Festschrift Hans Günther Bastian zum 60. Geburtstag, Augsburg 2004, S.215 – 222
  • Ernst Klaus Schneider, Für die Kinder nur das Beste! Frühkindliche Bildungsprozesse im Konzert, in: Zs. Diskussion Musikpädagogik Heft 82, 2005, S. 7 – 12
  • Barbara Stiller, Erlebnisraum Konzert. Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder, ConBrio Fachbuch Band 13, Regensburg 2008